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Im Gefängnis


Das Team:

 

Der ehemalige Gefängnisleiter und Präsident der "Gefährdetenhilfe Schweiz", Werner Burkhard sowie Bundespolizist und Präsident der "Christlichen Polizeivereinigung" (CPV), Felix Ceccato, sind als eingespieltes Team in verschiedenen Gefängnissen in Ungarn, Slowakei, Südafrika unterwegs. 

 

Karin Bolliger ist Kriminaltechnikerin bei der Kantonspolizei Zürich und mit Stefan Bolliger verheiratet. Beide engagieren sich mit ihrem Hilfsprojekt „Lovelietuva“ in den baltischen Staaten. Durch diese Kontakte haben sich neue Synergien mit der CPV und der Gefährdetenhilfe Schweiz ergeben. Aus diesem Grund sind wir nun alle vier nach Litauen gereist, um persönliche Einblicke von der Situation vor Ort zu bekommen.

 

Im Gefängnis von Vilnius

Es ist ein grauer November Morgen, als wir vor dem Gefängniseingang in der litauischen Hauptstadt Vilnius stehen und warten bis wir abgeholt werden, um Einlass in das Innere dieses farblosen Gebäudes zu erhalten. Ein Beamter in ansehnlicher Uniform begrüsst uns und führt uns zur Administration. Nachdem wir alle registriert sind, dürfen wir die Sicherheitsschleuse passieren. Nach einer eingehenden Sicherheitskontrolle werden wir durch den Innenhof geführt, wo wir nach weiteren Sicherheitsdurchgängen schliesslich im Häftlingstrakt stehen.

Unser Besuch wurde den Häftlingen angekündigt. Sie beäugen uns, hie und da werden wir sogar auf Deutsch gegrüsst. Wir versammeln uns in einem Raum, welcher wie eine kleine Kapelle eingerichtet ist. Bilder mit Ikonen und Szenen aus der Bibel sowie ein Kreuz hängen an den Wänden. Eine Schar von rund 15 Häftlingen versammelt sich und nimmt auf den Stühlen Platz. Tomas, ein Pastor der lokalen Kirchgemeinde übersetzt für uns. Wir werden vorgestellt und Felix beginnt zu reden: „Ich bin Polizist. Mein Job ist es, die Gängster von der Strasse in den Knast zu bringen". Felix hat auf Anhieb die volle Aufmerksamkeit – was kommt jetzt? Felix erzählt weiter wie er das mit der Autorität, die ihm als Polizist verliehen worden ist, versteht. Viele dieser Inhaftierten haben mit Gesetzesvertreter schlechte Erfahrungen gemacht. Machtmissbrauch, Misshandlung, Korruption um nur einige zu nennen. Felix entschuldigt sich stellvertretend für diejenigen Polizisten, die eigentlich die Aufgabe hätten, dem Staat und den Bürgern zu dienen und sie zu schützen, jedoch ihre Autorität missbraucht haben. Einer der Häftlinge steht auf, sichtlich gerührt und umarmt Felix. Diese Geste lässt erahnen, was die Häftlinge diesbezüglich bereits erlebt haben.

 

Bild Links: In der Gefängnis Bibliothek unterhalten wir uns mit den inhaftierten Ordnungshütern. Besonders für Felix und Karin die beide Polizisten sind, ist das eine spezielle Begegnung...

 

Bild rechts: Gruppenbild im Andachtsraum.

{mit Genehmigung zur Veröffentlichung}


 

Etwas später begeben wir uns in den gegenüberliegenden Trakt. Dort befinden sich etwa 50 inhaftierte Polizisten. Zu ihrem Schutz sind sie strikt getrennt von den übrigen Insassen. Wir dürfen uns überall umsehen. Auch die Zellen, die Küche und der Aufenthaltsraum werden uns gezeigt. Gemeinsam mit einigen Insassen nehmen wir Platz in der Bibliothek.

 

 

"Jeder Mensch tendiert dazu – unabhängig von seiner ethnischen Herkunft, seinem Alter, seinem Charakter oder seinem Bildungsniveau – Fehler der verschiedensten Art zu begehen. Manche dieser Fehler ziehen schwerwiegende Konsequenzen nach sich, wofür zwangsläufig Verantwortung zu tragen ist.

(Zitat „Geboren Verurteilt“)"


Während des Austauschs kommen immer mehr Häftlinge in den Raum und wollen hören, über was geredet wird. Eines der Hauptthemen, welches diese ehemaligen Ordnungshüter beschäftigt ist, wie ihre berufliche Zukunft nach der Entlassung aussehen kann. Ein Wiedereinstieg in das Berufsleben wird sehr schwer für sie, Aussichten auf eine Umschulung sind gering. "Draussen" in der Gesellschaft werden sie geächtet und gemieden. Eine Möglichkeit ist, dass sie in ein Rehazentrum gehen, welches oftmals von freiwilligen Mitarbeitern geführt wird, die zum Teil selber im Gefängnis waren und sich heute um Entlassene kümmern. Finanzielle Mittel um ein Rehazentrum zu betreiben, sind sehr knapp und viele kämpfen um das tägliche Überleben. Doch genau solche Rehazentren sind ein wichtiges und nötiges Angebot. Die Zeit verfliegt, wir haben viel gehört, viele Fragen bleiben offen doch werden wir ihre Anliegen mitnehmen.

 

Frauengefängnis Panevėžys

Am Nachmittag werden wir im gut 100 km entfernten Panevėžys vom Direktor des einzigen Frauengefängnisses im Lande empfangen. In Litauen gibt es zurzeit etwa 7’000 Inhaftierte, davon 300 Frauen. Am grossen schwarzen Konferenztisch gibt es Tee und Kaffee, was uns sehr willkommen ist in diesem kalten, ungeheizten Raum. Der Gefängnisdirektor hat 15 Minuten für uns reserviert, allerdings werden daraus zwei Stunden ehe er sich wieder verabschiedet. Wir erfahren über die Gefängnis- und Häftlingssituation in Litauen.  Natürlich hören wir auch hier, dass die finanziellen Mittel nicht reichen für dringend benötige Verbesserungen der Infrastrukturen, und auch für die Betreuung der Häftlinge fehlt das Geld. Wir hören aber auch Erfreuliches:  so zum Beispiel, dass seit zwei Jahren ein Opfer-Täter Projekt in Form von Mediation existiert; nicht nur im Gefängnis sondern auch ausserhalb. Diese Auswirkungen sind sehr positiv, bestätigt der Direktor erfreut. Nach diesen aufschlussreichen Informationen und der Bildpräsentation, werden wir zum Zellentrakt geführt. Beim Eintreten werden wir von den Frauen freudig empfangen. Es sieht fast heimelig aus und erinnert an eine Frauen WG. Sie zeigen uns ihre Zimmer welche sie mit Bildern und Buntem dekoriert haben. Aber auch die schönste Deko vermag nicht zu überdecken, wo wir uns hier befinden. In der engen Stube setzen wir uns im Kreis mit den Frauen hin – Frauen die geringe Delikte begangen haben bis hin zur Mörderin. Einige erzählen uns ihre Geschichte, erneut kommt die Frage auf „wie weiter nach der Entlassung"? Was gibt es für Möglichkeiten um nicht wieder in das alte Leben zurück zu kehren? Die Frauen haben hier die Möglichkeit, einer von drei Berufen {Näherin, Köchin oder Friseurin} zu erlernen. Für Arbeit gibt es ein wenig Geld, wer jedoch den verpassten Grundschulstoff nachholen möchte, bekommt nichts. Der Anreiz durch Schulbildung in ihre Zukunft zu investieren bleibt auf der Strecke. Das wiederum erschwert eine spätere Einbindung ins Berufsleben zusätzlich. Wichtig ist auch die Frage, was gibt es für Möglichkeiten in der Prävention bei den Kindern und Jugendlichen?

 

Internationale Konferenz „Prison Ministry" in Vilnius

Am nächsten Tag sind wir Teilnehmer der alljährlichen "Prison Ministry Konferenz" in Vilnius. Wir wurden vom ehemaligen Polizisten Gintaras eingeladen. Heute ist er Pastor einer Kirchgemeinde und Leiter der "Prison Ministry Association". Es treffen sich rund 70 Kapläne {ehrenamtliche Gefängnishelfer}, Gefängnis-Sozialarbeiter und Ex-Häftlinge aus den drei baltischen Staaten, der Ukraine und Weissrussland. In Litauen selber gibt es zehn Kapläne welche durch Spenden unterstützt werden und eine grossartige Arbeit leisten. Besonders gespannt hören wir den vielfältigen Lebensgeschichten der Ex-Häftlinge zu. Interessant ist auch zu hören, wie sie den Ausstieg aus der Kriminalität geschafft haben. Jeder von ihnen hat im Gefängnis vom Gott der Bibel erfahren und erlebt, wie durch Jesus ihr Leben verändert wurde. Sie haben gelernt, gute Entscheidungen zu treffen und haben erfahren, was Sündenvergebung bedeutet. Auch wir bekommen die Gelegenheit zu erzählen, warum wir uns hier in Litauen befinden und wie unser Berufsalltag vor sich geht. Werner weiss durchaus, wie man die volle Aufmerksamkeit für sich gewinnt: "20 Jahre meines Lebens habe ich im Gefängnis verbracht..." {Stille – Irritation - fragende Blicke}"...nämlich als Leiter eines Schweizer Gefängnisses" {belustigtes Murmeln in den Sitzreihen}. Werner schildert, wie der Gefängnisalltag aus Sicht eines Institutionsleiters ist und dieser durchaus etwas mit demjenigen der Häftlinge gemeinsam hat. Man sei ebenfalls oft alleine und isoliert mit Entscheidungen die zu treffen sind oder mit bestimmten Dingen, worüber man mit niemandem sprechen kann.

 

Durch die gewonnenen Erkenntnisse der letzten Tage, werden wir gemeinsam mit den litauischen Ansprechpartnern konkrete Projekte ausarbeiten, für eine Verbesserung der Lebensumstände insbesondere nach der Haftentlassung. Diese Projekte werden wir der Regierung vorlegen wodurch wir uns erhoffen, gezielt für diese Projekte finanzielle Unterstützung zu erhalten.

 

Zum Schluss sind wir vier uns einig, dass diese Reise nach Litauen eine Bereicherung ist. Wir haben gehört wie Berufskollegen ihre Arbeit im "wilden Nordosten" erleben und bewältigen. Zudem sind interessante Kontakte entstanden zur Kameradschaft und künftigen Begegnungen dieser Art. Und das Beste ist - diese Arbeit geht weiter denn noch viele Häftlinge sollen Jesus kennenlernen und hoffnungsvoll und verändert in die Zukunft blicken können! Und wir erwarten und erbeten, dass wir unseren Teil dazu beitragen können mit konkreter praktischen Unterstützung aber auch finanziell.

 

Bericht: Karin Bolliger

Fotos: Karin Bolliger und Gefängnismitarbeiter Vilnius, mit Genehmigung zur Veröffentlichung